
John Sinclair rief nach Oelde in Westfalen
Am Samstag letzter Woche rief John Sinclair, Fans und Interessierte zur Ausstellung „Fünf Jahrzehnte Geisterjäger“ ins „Museum für Westfälische Literatur – Haus Nottbeck“ nach Oelde in Westfalen. Ausgesprochen gerne bin ich seinem Ruf gefolgt.

Seit über fünfzig Jahren kämpft der legendäre Geisterjäger von Scotland Yard in mehr als 2429 Heften, sowie zahlreichen Büchern und Hörspielen, gegen den Schwarzen Tod, Luzifer, die Großen Alten, Dr. Tod, Vampire, Zombies und unzählige weitere Mächte der Finsternis. Die Heftromanreihe startete bereits 1973 mit der Episode „Die Nacht des Hexers“, zunächst noch unter der Rubrik „GESPENSTER-KRIMI“. Aufgrund des großen Erfolges der John Sinclair Geschichten, wurden diese nach 50 Episoden dann als die allseits bekannte eigenständige Heftroman-Serie ausgekoppelt. Sie ist, bei einer John-Sinclair-Gesamtauflage von mittlerweile 300 Millionen, bis heute eine der populärsten Serien im deutschen Heftroman-Format. Und natürlich war das legendäre allererste Gespensterkrimi-Heft (im Original!), neben zahlreichen weiteren historischen John Sinclair-Devotionalien in der Ausstellung auf Haus Nottbeck zu bewundern.

John Sinclair ist einer der Stars meiner Jugendzeit. Eine klassische sogenannte „Groschenroman-Reihe“, oftmals leider etwas abschätzig als „Trivialliteratur“ bezeichnet. Aufregende, kurze Geschichten, mit grellen, reißerischen Titelbildern versehen, immer zu erschwinglichen Preisen. Zumindest in der 80er Vor-Internet und Vor-Streaming-Zeit, ganz eindeutig ein Schülermagnet. Regelmäßig lungerten wir in der örtlichen Bahnhofsbuchhandlung herum, um auf den neuen Sinclair zu warten, oder auch nur die effektvollen schrillen Zeichnungen der sog. Groschenromane zu genießen. Herrliche Erinnerungen. Obwohl ich schon seit Jahrzehnten keine Sinclair-Hefte mehr gelesen habe, bin ich der Reihe über die Hörspielfassungen bis heute treu geblieben. Natürlich wird John Sinclair heutzutage überwiegend von Erwachsenen gehört und gelesen und, wie ich in meinen letzten Social-Media Beiträgen bemerken konnte, immer noch von überraschend vielen literaturbegeisterten Menschen sehr geschätzt.

Es ist kein großes Geheimnis, dass sich hinter dem Pseudonym „Jason Dark“ der westfälische Autor Helmut Rellergerd verbirgt. Am 25. Januar 1945 in Altena geboren und in Dortmund aufgewachsen, ist Helmut Rellergerd ein Kind des Ruhrgebiets und zählt zu den meistgelesenen Roman-Autoren seiner Sparte. Anlässlich seines 80 Geburtstags und des 50-jährigen Jubiläums der Reihe, widmete das Museum für Westfälische Literatur dem Meister des Gruselns eine Sonderausstellung, die noch bis zum 29. Juni geöffnet ist.
Zur Ausstellungseröffnung am 22. Februar hatten sich viele Fans und Interessierte in dem, in einem weitläufigen bäuerlichen Museumspark gelegenen, ehemaligen westfälischen Herrenhaus eingefunden. Nach Angaben des Leiters für Öffentlichkeitsarbeit Dirk Bogdanski, war die Zahl der Besucher*innen derart groß, dass sich erstmals in der Geschichte des Museums eine Schlange vor einer Ausstellungseröffnung gebildet hatte.

Das Highlight des Samstagabends war dann die folgende Lesung und Diskussion mit dem Autor Helmut Rellergerd und dem ebenfalls anwesenden Synchronsprecher Dietmar Wunder, der neben dem John Sinclair der Hörspiel-Reihe, auch den Schauspielern Daniel Craig und Adam Sandler ihre deutsche Stimme verleiht. Beide waren nahbar und bester Laune, wodurch sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch in den Pausen am Rande der Veranstaltung viele wunderbare Gelegenheiten für Fragen und Gespräche ergaben.
Ein paar Goodies des Abends möchte ich gerne weitergeben: So war zu erfahren, dass Helmut Rellergerd ein Fan von Borussia Dortmund ist, was allerdings hinsichtlich seiner Historie nicht weiter überraschte. Als während der Veranstaltung dann zwischenzeitlich noch eine aktuelle Dortmunder Führung bekanntgegeben wurde, konnte der Abend locker weiterverlaufen.
Sehr bemerkenswert hingegen war der Umstand, dass Jason Dark sich als Kind vor Horrorfilmen gefürchtet hat, sein liebster Horrorfilm später dann allerdings „Das Omen“ wurde. Besonderen Wert legte er zudem darauf, dass er John Sinclair nicht als Horror- sondern als Gruselliteratur einordnet. Überhaupt habe es in den Zeiten des Beginns der Reihe immer wieder Probleme mit dem damaligen Jugendschutz gegeben, was zur Folge gehabt habe, einige Themen und Motive der Serie anfänglich zu meiden. Dies sei jedoch schon lange kein Problem mehr.

Sehr interessant auch, dass Hellmut Rellergerd seine Romane immer noch auf der Schreibmaschine schreibt und keinen Computer oder Tablet nutzt.
Absolut überraschend für mich war dann aber die Eröffnung, dass Helmut Rellergerd alias Jason Dark, zwar Schottland, Liverpool oder Stonehenge besuchte, nie aber London, den Hauptschauplatz der Sinclair Romane, bereist hat. In Anbetracht der originalgetreuen Beschreibungen der Stadt, ausgesprochen bemerkenswert.

„Fünf Jahrzehnte Geisterjäger John Sinclair“ war ein rundherum gelungener, überraschend persönlicher Abend, der ungewohnte Einblicke hinter die Kulissen einer der beliebtesten und erfolgreichsten deutschen Heftroman-Serien eröffnete. Ganz im Sinne meiner Motivation als Literaturblogger: „Eine Differenzierung von E- und U- Literatur lehne ich ab!“, ein großartiges Beispiel für die wunderbare Vielfalt der Literatur.
(*) Veröffentlichung der Fotografien mit freundlicher Genehmigung des Kulturguts Haus Nottbeck
