Themen zur Literatur

Verzeichnis der Übersetzer*innen oder „Die unbesungenen Held*innen der Literatur“

Die Übersetzer*innen eines Romans sind nahezu unsichtbar und bleiben der Leserschaft weitestgehend unbekannt. Während die Namen der Autor*innen in fetten Lettern, nicht selten größer als der Titel, auf jedem Buchcover zu finden sind, werden die Übersetzer*innen erst in Kleinschrift auf der dritten Seite genannt.

Wir Lesenden kennen es nicht anders und denken meist auch nicht weiter darüber nach. Eigentlich doch sehr erstaunlich. Bei der Übersetzung von Literatur handelt es sich ja keineswegs bloß um eine objektive, schablonenhafte Angelegenheit, die von einer seelenlosen Maschine durchgeführt wird. [Die aktuellen Fragestellungen zur Verwendung von KI in der Literatur will ich an dieser Stelle gar nicht erst näher ausführen.] Nein, eine Übersetzung ist ein eigenes, subjektives Werk, mit dem die Übersetzer*innen versuchen, dem Original näherzukommen, und diesem dabei unweigerlich immer auch eine eigene Komponente hinzufügen. Bei aller Nähe zum Original entsteht bei einer Übersetzung ein neuer Text, was nicht zuletzt auch urheberrechtliche Auswirkungen hat.

Überhaupt ist die gesellschaftliche und kulturelle Relevanz von Literaturübersetzungen ein spannendes Feld, denn jede Übersetzung ist natürlich ein Kind ihrer Zeit. Ganz abgesehen von den poetisch-künstlerischen Aspekten, ist eine Übersetzung immer auch Spiegel der jeweiligen gesellschaftlichen Realität, was gerade in jüngerer Zeit zu teilweisen heftigen, grundsätzlichen Kontroversen geführt hat. [Aber auch das ein eigenes Thema, was an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden soll].

Für mich persönlich war es immer schon faszinierend alte Klassiker in den jeweiligen Neu-Übersetzungen der vorüberziehenden Jahrzehnte zu verfolgen. Wenn ich einen Klassiker zum wiederholten Male lese, wähle daher nach Möglichkeit eine andere Übersetzung. Der altbekannten Lektüre, tritt damit automatisch eine weitere interessante Perspektive hinzu. Ein Gewinn, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Ich möchte in diesem Zusammenhang exemplarisch auf die Romane „Tom Sawyer & Huckleberry Finn“ von Mark Twain und „Der Fänger im Roggen“ von J. D. Salinger verweisen. Die bekannten älteren Übersetzungen klingen im Kontrast zu den neueren Ausgaben plötzlich erschreckend gediegen, bieder und „von gestern“. Eine nachhaltige Erfahrung die alten Klassiker in ihren aktuelleren Übersetzungen völlig neu zu entdecken.

Aber auch Science-Fiction-Klassiker wie der von mir sehr geschätzte „Dune“ Zyklus von Frank Herbert, liegen mittlerweile in neuen Übersetzungen vor, die es wert sind gelesen zu werden. Nicht zufällig habe ich die Unterschiede der verschiedenen Übersetzungen des Wüstenplaneten gleich in meinem ersten Beitrag auf Horatio-Bücher näher thematisiert.

Fast seit Beginn des Blogs nenne ich am Ende jeder Buchvorstellung, etwas versteckt in den Daten der Veröffentlichungen, den Namen der jeweiligen Übersetzenden. Zudem versuche ich möglichst die Übersetzungen in meinen Buchvorstellungen zu thematisieren, wenn mir die Sprache des Romans besonders auffällt. Häufig bleibt es dabei aber lediglich bei einem knappen Nebensatz. Das wird dem Anteil der Übersetzung leider oft nicht gerecht. Eine nähere Beschäftigung mit der Thematik, gerade für mich als Literaturblogger, war überfällig.

Schon länger verfolge ich daher die Homepage „TralLaLit – Magazin für übersetzte Literatur“, das sich als eine Art „Übersetzungsfeuilleton“ mit entsprechenden Themen beschäftigt. Auch durch die absolut höhrenswerte Podcast-Folge „Wofür kämpfen Übersetzer:innen?“ aus der Reihe „Hanser Rauschen“ vom August 2024, ist mir die Unsichtbarkeit der Übersetzer*innen noch einmal richtig bewusst geworden. Letztendlich gab mir dann aber ein Beitrag des Literaturblogs „Kaffeehaussitzer“ den Impuls, selbst tätig zu werden und die Sichtbarkeit der Übersetzer*innen auf meinem Blog durch ein eigenes Verzeichnis endlich etwas zu verbessern. Ein ganz kleiner, aber sicherlich richtiger Schritt, denn letztendlich erfahren wir die Welt der Romane durch die Stimme der Übersetzer*innen.

 

PS: Die schöne und pointierte Bezeichnung aus dem Titel „Die unbesungenen Held*innen der Literatur“ stammt von Dennis Scheck

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