Horatio-Bücher Buch des Jahres 2022
Themen zur Literatur

Ein Plädoyer für Personenverzeichnisse

Bereits nach kurzer Zeit muss man zurückblättern

Start der Lektüre eines neuen Romans. Die Vorfreude auf zahlreiche unterhaltsame Stunden ist groß. Alles beginnt mit dem so wichtigen ersten Satz, in dem auch sogleich der erste Name fällt. Schnell folgen auf den nächsten Seiten weitere Personen mit weiteren Namen, die zu Beginn alle noch fremd bleiben. Bereits nach wenigen Kapiteln sieht man sich einer beträchtlichen Anzahl frisch eingeführter Personen gegenüber, die man noch nicht sicher unterscheiden und deren Namen man sich noch nicht so richtig merken kann. Spätestens ab jetzt wird die Lektüre immer wieder unterbrochen und es beginnt ein hektisches Zurückblättern. „Wie hieß noch einmal die Person im ersten Satz?“ oder „Ist das jetzt dieselbe Person von eben?“.

Zumindest mir geht es oft so. Bis mir die Namen der verschiedenen Personen derart geläufig sind, dass ich sie während der fortschreitenden Lektüre problemlos zuordnen kann, vergeht eine gewisse Zeit. Gerade wenn es sich um ein größeres Personaltableau handelt, wird die Sache schnell sehr unübersichtlich. Ohne weitere Hilfsmittel muss ich jetzt immer wieder die Lektüre unterbrechen und zurückblättern, um mich zu orientieren. Andernfalls liefe ich Gefahr, dem Roman nicht mehr gerecht zu werden und über große Abschnitte bei der Lektüre im Trüben zu fischen.

Hand aufs Herz – ich bin sicher, dass es nicht nur mir allein so geht.

 

Papier und Bleistift

Aus diesem Grund bin ich bei jedem neuen Roman mit Papier und Bleistift bewaffnet. Ich notiere mir jeweils kurz die Namen sämtlicher neu auftretenden Personen und füge noch einzelne, mir wichtig erscheinende Informationen hinzu. Mit der Zeit entsteht so ein hingekritzeltes Personenverzeichnis mit manch hilfreichem Hinweis zu den Hintergründen der Charaktere. Ich behalte auf diese Weise den Überblick und kann mich ganz in Ruhe der Handlung und den Feinheiten des Romans widmen.

Ein Personenverzeichnis ist auch äußerst hilfreich, wenn man keine Zeit für eine konzentrierte Lektüre hat und einen Roman sozusagen „zwischendurch“ lesen muss. Kann man aus Zeitgründen immer nur kleine Abschnitte am Stück lesen, besteht ohne ein Verzeichnis die Gefahr, gar nicht erst in den Roman „reinzukommen“. Auch in Fällen einer längeren Unterbrechung der Lektüre über mehrere Tage oder gar Wochen, leistet ein Personenverzeichnis beim Wiedereinstieg wertvolle Dienste.

 

Es geht auch anders

Erfreulicherweise gibt es bereits einige Romane und Romanreihen, die von sich aus im Anhang ein Personenverzeichnis mitbringen. Im Falle der „Game of Thrones“ Reihe ist es teilweise sogar mehr als 70 Seiten lang. Dies ist bei George R.R. Martins gigantischem Epos zwar sicher nicht verkehrt, allerdings für den Normalfall doch etwas übertrieben. Eine übersichtliche ein bis zwei Seiten lange Aufstellung würde ja schon ausreichen.

Twitter Umfrage

Eine von mir gestartete kleine Twitter-Umfrage zum Thema Personenverzeichnis ergab vor kurzem, dass sich immerhin 41 Prozent der Teilnehmer*innen ein ausführliches Personenverzeichnis für jeden Roman wünschen würden. 19 Prozent war es gleichgültig und 34 Prozent lehnten es ganz ab. Letztere Position war für mich etwas überraschend, bliebe es doch den Lesenden selbst überlassen, ob sie einen Blick in das Verzeichnis werfen oder nicht.

Ganz offensichtlich spielt in diesem Zusammenhang die Sorge um die Spoilergefahr eine bedeutende Rolle. Dieses Argument ist nicht ganz unberechtigt. Schon durch kurzes Überfliegen eines Personenregisters, könnten viele Informationen zum Fortgang und Aufbau eines Romans aufgenommen und das Erlebnis der Lektüre beeinträchtigt werden. Hier wäre jedoch leicht Abhilfe zu schaffen, indem das Verzeichnis nach hinten in den Anhang verlegt werden würde, so dass man nicht gleich am Anfang darüber stolpert. Auch eine Auflistung der Personen nach Kapiteln und Seitenzahlen, könnte die Spoilergefahr weiter minimieren. Wenn ich so bedenke, wie groß die Spoiler allein durch die oft sehr weitegehenden Einband- und Klappentexte sind, sollte sie bei Personenverzeichnissen doch eigentlich tolerabel sein.

 

Es könnte alles doch so einfach sein

Im Verlauf der Umfrage wurde dann eine sehr interessante Kompromisslösung angesprochen. Statt das Personenverzeichnis im Anhang abzudrucken, könnte in jedem Roman ein Link (inklusive QR-Code) enthalten sein, über den das Personenregister leicht eingesehen oder bei Bedarf heruntergeladen und ausgedruckt werden kann. Auf diesem Wege würde die Spoilergefahr sicher umgangen und es ergäbe sich zudem eine Möglichkeit, noch weitere Materialien zur Lektüre zur Verfügung zu stellen. Ich persönlich finde diese Lösung, die wirklich sämtlichen Lesern und Leserinnen entgegenkommt, äußerst charmant und vielversprechend.

Also liebe Autoren, Autorinnen und Verlage. Es gibt mit dem Download-Link eine ideale Lösung für die Aufnahme von Personenverzeichnissen, die zudem auch noch weitere, sehr interessante zusätzliche Möglichkeiten eröffnet. Ich persönlich würde mich sehr darüber freuen.

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3 Comments

  • Roland Rosenbauer

    Die Idee eines Online-Personenverzeichnisses ist an sich sehr gut. Leider fürchte ich, dass der Link irgendwann ungültig sein könnte, während das Buch immer noch in Bibliotheken geliehen oder in Antiquariaten gekauft werden kann.
    Insofern bevorzuge ich das gedruckte Personenverzeichnis im Buch.

    • Horatio-Bücher

      Hallo Roland Rosenbauer,
      ja, da ist tatsächlich etwas dran. Ein einfacher virtueller Link altert deutlich schlechter als ein reales Buch. Eine Dauerlösung ist es daher nicht.
      Vielen Dank für Deine Rückmeldung und LG,
      Horatio

  • Norbert Fiks

    Ein interessantes Vorgehen. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, selbst ein Personenverzeichnis anzulegen.
    Dass uns Verlage mit QR-Codes entgegenkommen, halte ich für wenig wahrscheinlich. Das würde ja zusätzliche Kosten verursachen.
    Service für Leserinnen und Leser ist ohnehin keine Selbstverständlichkeit. Selbst bei Sachbüchern, wo sich Personen- und/oder Ortsverzeichnisse geradezu aufdrängen, sucht man sie oft vergeblich.

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