Andreas Groschupf, Die Stunde der Hyänen
Kriminalroman,  Thriller

Johannes Groschupf, „Die Stunde der Hyänen“

Beim Autor Johannes Groschupf (*1963 in Braunschweig) regnet es Preise. Schon 2019 wurde sein Thriller „Berlin Prepper“ mit dem Deutschen Krimipreis (1. Platz) und dem Politkkrimipreis der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg ausgezeichnet. Nachdem dann gerade 2021 noch der Deutsche Krimipreis (2. Platz) für „Berlin Heat“ verliehen worden war, folgt jetzt ganz frisch schon wieder ein erster Platz für seinen aktuellen Thriller „Die Stunde der Hyänen“. So viel Lametta sorgt natürlich für große Aufmerksamkeit. Völlig zu Recht. Ich bin sehr froh darüber, über den DKP auf den Autor und „Die Stunde der Hyänen“ gestoßen zu sein.

Der lediglich 263 Seiten knappe Thriller „Die Stunde der Hyänen“ ist beeindruckend straff durchkomponiert. Kein Kapitel, keine Seite, keine Szene ja kein einzelnes Wort wird hier verschwendet. Mit klarer, geradezu nüchtern wirkender Sprache führt Johannes Groschupf die Leser durch die nächtlichen Straßen Berlins.

Ohne große Vorrede werden wir sofort mitten in die Berliner Dunkelheit katapultiert. Ein Feuerteufel geht um. Nacht für Nacht brennen am Landwehrkanal die Autos. Ein VW-Bulli steht lichterloh in Flammen. Radek Malarcyk, der seit seiner Obdachlosigkeit die Nächte in seinem Wagen verbringt, kann im allerletzten Augenblick dem Inferno entkommen. Schwer verletzt überrascht er im Schatten einer nahen Toreinfahrt Maurice, einen jungen Postbotenanwärter, der in eindeutig erregter Situation mit sich beschäftigt ist und die Flammen beobachtet. 

Radek ist Fernfahrer und hat vor kurzem mit seinem LKW eine Radfahrerin überrollt. Seit diesem traumatischen Ereignis ist er dem Alkohol verfallen. Mit schweren Brandverletzungen erwacht er im Krankenhaus, verschweigt jedoch die Begegnung mit Maurice. In seinem Überleben erkennt er ein Zeichen Gottes. Als durch die Flammen geläuterter Messias beginnt er nach seiner Entlassung durch die nächtlichen Straßen Berlins zu streifen.

Auch zwei junge Frauen sind hier im Dunkeln unterwegs. Die in die Altmännerriege der Brandermittlung strafversetzte Kommissarin Romina Winter und die Lokalreporterin Jette Geppert, eine „Super-Recognizerin“, die niemals ein Gesicht vergisst, sind dem Feuerteufel auf der Spur. Mobbing am Arbeitsplatz, ein gewalttätiger Partner. Auch die Welt der Jägerinnen ist alles andere als heil. Die Frauen sind keine Heldinnen, sondern zwei Menschen, die selbst Opfer sind und sich im Alltag behaupten.

Im Kiez ist die Situation angespannt. Eine Bürgerwehr hat sich zusammengerottet und patrouilliert durch die Straßen. Selbstjustiz und Fremdenfeindlichkeit greifen um sich. Radek, der geläuterte Messias und religioöse Eiferer stößt in den Berliner Hinterhöfen auf eine autoritäre, fundamentalistische christliche Sekte. Schnell stellt sich heraus, dass auch der Brandstifter Maurice zu den sogenannten „Jüngern Jahwes“ gehört. In der hermetisch abgeschotteten Sektenwelt ist der Täter allerdings ein Opfer, und nicht das einzige.

Religiöse Verblendung, häusliche Gewalt, Erpressung, Verrat und Missbrauch sind die gnadenlosen Realitäten in der Großstadtwelt der nächtlichen Flammen. Exzesse, von Johannes Groschupf ohne jede Effekthascherei, knapp, ungeheuer präzise und dadurch umso eindrucksvoller in Szene gesetzt. Kein großes Rätselraten. Die Identität des Brandstifters ist von Beginn an bekannt. Auch Fragen nach dem „Warum“ spielen nur eine untergeordnete Rolle. Es sind die moralischen Verwicklungen und Grautöne auf Seiten der Protagonisten, aus denen „Die Stunde der Hyänen“ ihre große Wucht bezieht. Sämtliche Charaktere haben Schuld auf sich geladen. Gleichzeitig sind viele aber auch selbst Opfer. Sühne, Vergebung, Rache, reinigendes Feuer. Trotz seiner Kürze erweist sich der düstere Thriller bei der Psychologie seiner Charaktere als überraschend vielschichtig und mehrdeutig. Zusammen mit der allgegenwärtigen Action eine bestens funktionierende Kombination.

„Die Stunde der Hyänen“ ist ein kompromissloses, hartes, dunkles Großstadtmärchen, das lediglich durch den Lichtschein der Flammen erhellt wird. In schnörkelloser Sprache ohne unnötigen Ballast direkt auf den Punkt erzählt und dramaturgisch gekonnt in Szene gesetzt. Relevant und beeindruckend. Ich bin mit dem Deutschen Krimipreis 2022 völlig einverstanden.

Der Deutsche Krimipreis – oder  „BKA verleiht DKP“

Der Deutsche Krimipreis ist ein Kritiker*innenpreis, der bereits 1985 durch das „Bochumer Krimiarchiv“ ins Leben gerufen wurde. Mit dieser speziellen Namensgebung erklärt sich auch die herrlich pointierte Schlagzeile: „BKA verleiht DKP“, die den ältesten und renommierten Preis seit seinen Anfängen begleitet.

Jedes Jahr im Januar entscheidet eine mindestens 24-köpfige Jury aus Kritik, Literaturwissenschaft und Buchhandel über die besten deutschsprachigen und internationalen Kriminalromane des abgelaufenen Jahres. Alle der rund 3.500 deutschen Erst- und Originalausgaben eines Jahrgangs können dabei Stimmen erhalten und für eine Nominierung in Betracht kommen. Am Ende werden die Plätze 1, 2 und 3 in den Kategorien „national“ und „international“ prämiert.

Weitere Infos zum DKP sind unter www.deutscher-krimipreis.de zu finden.

    • Johannes Groschupf, Die Stunde der Hyänen
    • Paperback, 263 Seiten
    • Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 2022
    • ISBN 978-3-518-47300-9
    • Preis: 16 €
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