Jugendliteratur,  Science-Fiction

Schneider Jugendbuchreihe „Commander Perkins“ – Eine Hommage

Eine Hommage an die erste Science-Fiction-Reihe meiner Jugend.

Vor einigen Wochen fiel mir wieder ein Band der Jugendbuchreihe „Commander Perkins“ in die Hände. Die zu Beginn der 80er Jahre im Franz Schneider Verlag erschienene Science-Fiction-Serie hat schon in jungen Jahren meine große Begeisterung für dieses Genre und ganz sicher auch den „Nerd“ in mir geweckt.

Sicherlich, dieses umfangreiche und auch etwas unterschätzte Genre der Literatur ist ein weites Feld. Es gibt sehr viele verschiedene Spielarten und komplexe, schwer greifbare Überschneidungen mit anderen Genres. Meinem Eindruck nach trifft es jedoch die Definition auf Wikipedia recht gut, die „wissenschaftliche Spekulationen, Raumfahrtthemen, ferne Zukunft, fremde Zivilisationen und meist zukünftige Entwicklungen“ als für die Science-Fiction charakteristisch ansieht. 

Das sagt doch eigentlich alles. Die Science-Fiction vermag den Blick der Lesenden über den Tellerrand zu heben, neue und fremde Perspektiven zu entdecken, die Vielfalt des Lebens zu erkennen, die Bedeutung und Verantwortung der Wissenschaft zu erfahren und vor allem – neugierig zu werden.

Ich kann mir für Kinder und Jugendliche keine geeignetere Lektüre vorstellen als die Science-Fiction.  

In einem Vorort des Ruhrgebiets weitab von jeder Buchhandlung

In einem Vorort des Ruhrgebiets weitab von jeder Buchhandlung wohnend, bezog ich meine Lektüren der Kinderzeit standesgemäß in einem kleinen Edekamarkt um die Ecke. Dieser war literarisch gut sortiert, da er über einen wunderbaren Drehständer für die sog. „Schneiderbücher“ verfügte. Damals hatte ich (wie die meisten Kinder) nicht die Möglichkeit, gesuchte Titel einfach beim Buchhändler zu bestellen. Eine solche Option war mir nicht ansatzweise bekannt. Stattdessen besuchte ich regelmäßig den Edekamarkt, um keine der neuen Buchlieferungen zu versäumen. Da von jedem Band meist nicht mehr als zwei Exemplare vorhanden waren, musste man auch häufig vorbeischauen, um bei sich bietender Gelegenheit sofort zugreifen zu können. Wurde diese Chance verpasst, konnte es viele Monate dauern, bis der gewünschte Band wieder im Sortiment zu finden war. Wenn überhaupt.

 

Die Schneiderbücher

Die Schneiderbücher sind sicherlich noch jedem Kind der 80er ein Begriff. In dem damals recht überschaubaren Markt für Kinderbücher waren sie ein Schwergewicht und durch den niederschwelligen Vertrieb in den Einkaufsmärkten leicht zugänglich. Der Franz Schneider Verlag wurde zu dieser Zeit als Familienbetrieb geführt. Sein Schwerpunkt lag auf dem Druck und Vertrieb von Kinderbüchern. Legendäre Buchreihen wie „Hanni und Nanni“, „Burg Schreckenstein“, „Bibi Blocksberg“ und nicht zuletzt auch „Commander Perkins“ hatte er im Programm.

Die Schneiderbücher waren alle einheitlich gestaltet und auf den ersten Blick sofort erkennbar. Kleine, meist um die 120 Seiten starke Bände, allesamt mit einem weißen Buchrücken. Unten prangte als Verlagslogo das rote „Schneider-S“ und ganz oben war immer eine Altersempfehlung aufgedruckt. Für die Commander Perkins Reihe lautete diese Empfehlung „11-14“ Jahre, was mich natürlich nicht davon abhielt, die Romane schon früher zu lesen. Eine aus heutiger Sicht sehr befremdliche Besonderheit war der Umstand, dass neben der (nicht sehr wirksamen) Altersempfehlung auf den Buchrücken auch eine deutliche Einordnung als „Mädchen-“ oder „Jungenbuch“ getroffen wurde. Je nach Titel war über der Altersempfehlung zusätzlich noch ein „M“ bzw. ein „J“ aufgeführt. Als wäre das nicht genug, war darüber hinaus der Name des Autors bzw. der Autorin der sogenannten „Mädchenbücher“ in rosa und der sogenannten „Jungenbücher“ in hellblau auf den Buchrücken ausgeführt. „Hanni und Nanni“, die ich ebenfalls gerne gelesen hätte, kamen damit für mich als Junge der 70er/80er leider nicht in Betracht. Heute nicht mehr nachvollziehbar, aber ganz dem damaligen Zeitgeist entsprechend.

 

Ein gewisser Hans Gerhard Fanciskowsky

Nichtsdestotrotz hatte der Franz Schneider Verlag große Buchreihen und auch äußerst interessante Autor*innen zu bieten. Zu den bekanntesten zählte neben Enid Blyton sicherlich auch ein gewisser Hans Gerhard Franciskowsky. Franciskowsky (*1936 in Itzehoe, +2011 in Hamburg) ist vielen besser bekannt unter seinen Pseudonymen „H.G. Francis“ oder wie in der Commander Perkins Reihe „H.G. Francisco“. Er zählt zu den prägendsten und produktivsten deutschen Science-Fiction Autoren und ist Verfasser zahlreicher SF-Romane und Jugendhörspiele. Besonderes herausragend ist daneben aber seine ausgesprochen produktive Tätigkeit als Autor der Perry Rhodan Heftroman-Serie. Bei dieser bereits seit dem Jahr 1961 ununterbrochen wöchentlich erscheinenden Serie handelt es sich schließlich um die unbestritten erfolgreichste und größte Science-Fiction- und Heftroman-Serie der Welt. Franciskowsky war hier sehr bedeutend und steuerte in dreißig Jahren seiner Tätigkeit insgesamt 304 Heftromane bei.

 

Commander Perkins und der geniale Dimensionsbrecher

Die kleine Commander Perkins Schneiderbuch-Reihe lag ihm allerdings auch sehr am Herzen. Sie spielt einige Zeit in der Zukunft. Die Menschheit betreibt auf dem Mond eine Station namens Delta-4. Der dort tätige Wissenschaftler Professor Dr. Common hat, unterstützt von seiner Tochter Cindy, ein absolut revolutionäres Transportmittel, genannt „Der Dimensionsbrecher“ entwickelt. Der Dimensionsbrecher ist im Grunde der heimliche Star der Buchreihe. Mit Hilfe dieses Geräts ist die Menschheit in der Lage, Personen und Material über große interstellare Entfernungen hinweg ohne Zeitverlust an einen beliebigen Ort zu befördern und wieder zurückzubringen. Commander Randy Perkins, sein Freund Major Peter Hoffmann, der telepathisch begabte fünfzehnjährige Sohn des Professors Ralf Common und der ausgesprochen fähige humanoide Roboter Camiel unternehmen mit dem noch in der Entwicklungsphase befindlichen Dimensionsbrecher den Sprung zu fremden Planeten und weit entfernten Galaxien.

Dies ist auch bitter nötig. Wiederholt kann die Menschheit nur durch den Einsatz des Teams gerettet werden. Franciskowskys Idee des Dimensionsbrechers erweist sich als genial. Er verschafft sich durch diesen Kunstgriff die notwendigen Freiheiten, in den recht wenige Seiten umfassenden, stark handlungsorientierten Jugendromanen, unmittelbar ohne viel Zeit und Seiten zu verlieren, mitten ins Geschehen springen zu können. Zudem eröffnet dieser Kniff ihm als Autor auch weitreichende Möglichkeiten, sehr unterschiedliche, abwechslungsreiche Romanszenarien zu entwerfen. Selbst spannende Zeitreisen-Szenarios werden damit möglich.

So sind die Abenteuer der Buchreihe tatsächlich äußerst vielseitig. Ein roter Nebel lässt die Menschen auf der Erde verschwinden, Ralf Common wird auf telepathischem Wege in eine andere Galaxie gelockt, eine weganische Raumflotte will die Erde vernichten und Zeitreisen werden unternommen. Die Menschheit stößt auf eine interstellare Supermacht, die das „Mittlere Auge“ genannt wird und die Koordinaten der Erde ausfindig machen will. Planeten werden zerstört und der Dimensionsbrecher manipuliert. Auch den telepathischen und anderen paranormalen Fähigkeiten kommt eine große Bedeutung zu. Am Ende geht es um nichts weniger als die Unsterblichkeit.

Um diese und noch viele weitere spannende SF-Themen drehen sich die Geschichten, denen ausnahmslos anzumerken ist, dass hier ein sehr erfahrener SF-Autor am Werk war. Es handelt sich durchgängig um anspruchsvolle Science-Fiction Literatur mit klassischen SF-Plots, die sich aber durch die Art und Weise ihrer Aufbereitung, ganz klar an Jugendliche richtet und ausdrücklich für diese verfasst wurde.

 

Parallelen zur großen Perry Rhodan Heftromanserie

Dabei merkt man Franciskowsky seine Tätigkeit für die große Perry Rhodan Heftromanserie an vielen Stellen deutlich an. Kennern des Perry Rhodan Universums wird schnell auffallen, dass die Hauptpersonen Perkins, Hoffman und Professor Dr. Commen den Hauptcharakteren der frühen Perry Rhodan Hefte (Rhodan, Bully und Crest) nachempfunden sind. Auch das Thema der paranormalen Fähigkeiten, insbesondere die telepathischen Kräfte bei Ralf Common, ist klar dem Mutantencorps aus Perry Rhodan entlehnt. Das „Mittlere Auge“ erinnert an die „Meister der Insel“ und natürlich ist auch das Motiv der Unsterblichkeit ein Kernstück der Perry Rhodan Serie. All diese Parallelen sind aber keinesfalls von Nachteil. Die ungeheure Vielseitigkeit der gigantischen Perry Rhodan Serie wird insgesamt (natürlich nur die Anfangsjahre betreffend) sehr gelungen auf die kleine Commander Perkins Reihe übertragen und in eine für Jugendliche leicht lesbare Form gebracht. Ein Gewinn. So sticht die Commander Perkins Reihe auch besonders positiv aus den vergleichbaren SF Romanen für Jugendliche dieser Zeit heraus. Sie bietet auf unterhaltsame Art klassische, sehr gut durchdachte und äußerst vielseitige Science-Fiction.

Parallel zur Schneider Romanreihe, wurde Ende der 70er auch eine neunteilige Commander Perkins Hörspielreihe bei „Europa“ produziert, die derzeit wieder bei einem Streaming-Anbieter im Programm ist. Sie umfasst zwei eigenständige Zyklen, die die Romanreihe ergänzen aber sich nicht mit ihr überschneiden.

 

Es gibt sie nicht mehr

Leider sind die Schneiderbücher heute nicht mehr erhältlich. Es gibt allerdings noch zahlreiche Gelegenheiten, sie auf dem Markt für gebrauchte Bücher zu erwerben. Ich selbst werde mich von meinen alten Exemplaren auf gar keinen Fall trennen. Wenn ich auch viele meiner Kinderbücher zwischenzeitlich verschenkt habe, gehört die Commander Perkins Reihe zu den Büchern, die ich nicht abgebe, da sie mir viel bedeutet haben. Die Themen dieser gut gemachten Serie sind auch heute keinesfalls verstaubt. Natürlich weisen die Romane einige, für die damalige Zeit typische Klischees und veraltete Rollenbilder auf. Dies sollte bei der Lektüre vergegenwärtigt werden. 

Das ändert aus meiner Sicht jedoch nichts daran, dass gerade das Genre der Science-Fiction für literarische Neueinsteiger viel zu bieten hat und genau aus diesem Grund möchte ich die Commander Perkins Romanreihe auch heute noch Kindern und Jugendlichen gerne ans Herz legen.

  • Exemplarischer Titel für die gesamte Buchreihe:
  • H. G. Francisco, Commander Perkins – Der rote Nebel
  • Hardcover, 121 Seiten
  • Franz Schneider Verlag, 1979
  • ISBN 3-505-07928-6
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