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Erich Kästner „Drei Männer im Schnee“
Kästners Roman „Drei Männer im Schnee“ ist als eine heitere, bezaubernde winterliche Lektüre bekannt geworden. In der vorliegenden Ausgabe, sehr gelungen begleitet von der Erzählung „Inferno im Hotel“, wird deutlich, welch zeitkritische Tiefe dieser Stoff gleichzeitig auch zu bieten hat. Eigentlich weitgehend frei von Sentimentalitäten jeglicher Art, hatte ich mir bereits seit einiger Zeit Gedanken über eine passende, nette Weihnachtslektüre gemacht. Schnell fiel mir dabei Erich Kästners kleiner Roman „Drei Männer im Schnee“ ein, den ich zuletzt in den 1990ern gelesen hatte. Die Geschichte um den Millionär Tobler, seinen Diener Johann und den in armen Verhältnissen lebenden, Dr. Hagedorn war mir als heitere, unbeschwerte Alberei in der weißen Pracht der Alpen in Erinnerung. Als harmloser winterlicher Spaß mit einer großen…
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Alida Bremer „Träume und Kulissen“
Split im Juli 1936. Seit April hat es nicht mehr geregnet. Eine drückende Sommerhitze liegt über dem Königreich Jugoslawien. Die „Perle des Meeres“ an der Adriaküste ist erfüllt mit brodelndem Leben. Ein vielfältiges Miteinander vieler Nationalitäten und Kulturen am Rande der großen Schauplätze des aktuellen Weltgeschehens. Der Roman „Träume und Kulissen“ der kroatisch-deutschen Autorin Alida Bremer (*1959 in Split) wird getragen von einer mediterranen Leichtigkeit. Zeile für Zeile verströmt er den Duft von Kräutern und einer nicht enden wollenden Vielfalt kulinarischer Köstlichkeiten. Scampi, Tintenfische, Oktopusse, Zahnbrassen, Kalbsschultern, Hammellenden und Käselaibe, alles ist auf den Märkten der Stadt zu finden. Zum Kaffee werden Maraschino-Kugeln aus Butterkeksen, Datteln, Mandeln und Orangenschalen gereicht. Abends gibt es frittierte Sardellen in einer Marinade aus Zwiebeln,…
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Schneider Jugendbuchreihe „Commander Perkins“ – Eine Hommage
Eine Hommage an die erste Science-Fiction-Reihe meiner Jugend. Vor einigen Wochen fiel mir wieder ein Band der Jugendbuchreihe „Commander Perkins“ in die Hände. Die zu Beginn der 80er Jahre im Franz Schneider Verlag erschienene Science-Fiction-Serie hat schon in jungen Jahren meine große Begeisterung für dieses Genre und ganz sicher auch den „Nerd“ in mir geweckt. Sicherlich, dieses umfangreiche und auch etwas unterschätzte Genre der Literatur ist ein weites Feld. Es gibt sehr viele verschiedene Spielarten und komplexe, schwer greifbare Überschneidungen mit anderen Genres. Meinem Eindruck nach trifft es jedoch die Definition auf Wikipedia recht gut, die „wissenschaftliche Spekulationen, Raumfahrtthemen, ferne Zukunft, fremde Zivilisationen und meist zukünftige Entwicklungen“ als für die Science-Fiction charakteristisch ansieht. Das sagt doch eigentlich alles. Die Science-Fiction…
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Robert Harris „Der zweite Schlaf“
„Am Spätnachmittag des neunten Tages im April des Jahres Unseres Auferstandenen Herrn 1468, einem Dienstag, suchte ein einsamer Reiter seinen Weg.“ Der Südwesten Englands im Jahr 1468. Der junge Priester Christopher Fairfax reitet spätabends bei strömenden Regen durch eine einsame Moorlandschaft. Er hat den Auftrag, im abgelegenen Dorf Addicott St George den unter mysteriösen Umständen verstorbenen Gemeindepfarrer Thomas Lacy zu beerdigen. Keinesfalls will er länger als nötig in dem von bitterer Armut geplagten rückständigen Nest verweilen. Er beabsichtigt bereits am nächsten Tag nach der Beerdigung wieder Richtung Exeter zu seinem Bischof zurückzureisen. Über Nacht richtet er sich im Pfarrhaus ein. Eine verschwiegene Haushälterin, ein stummes Mädchen, ein fleißiger Schmied und ein zwielichtiger Küster treten auf den Plan. Der Leichnam des Pfarrers…
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Shirly Jackson „Spuk in Hill House“
Die „Queen of Horror“ mit einer Spukgeschichte der leisen Töne. Mit großer Vorfreude hatte ich den Roman „Spuk in Hill House“ (orig. „The Haunting of Hill House“) der US-amerikanischen Schriftstellerin Shirley Jackson (*1916, +1965) erwartet. Die jung an einem Herzleiden verstorbene Autorin, Vielleserin und Verfasserin zahlreicher Kurzgeschichten und Romane, gilt schließlich als die „Queen of Horror“. Generationen von Autoren/-innen, ganz erheblich auch Stephen King, wurden von ihren Werken beeinflusst. Ihr 1959 erschienener Roman „Spuk in Hill House“ wird gar als Meisterwerk und ein Höhepunkt der phantastischen Literatur bezeichnet. „Was wir über Hill House wissen, ist die Tatsache, dass es vollkommen falsch ist. Nichts Einzelnes, was wir benennen könnten; es ist alles zusammen. Wenn man Hill House betritt, ist das,…
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Màirtìn Ò Cadhain „Die Asche des Tages“
„Die Asche des Tages“, Erstausgabe 1970, ist das letzte Werk des irischen Schriftstellers und politischen Kommentators Máirtín Ó Cadhain. Der Roman ist 2020 im Stuttgarter Alfred Kröner Verlag, in der deutschen Übersetzung von Gabriele Haefs, neu erschienen. Ó Cadhain (*1906, +1970) gilt als Erneuerer der modernen irischsprachigen Literatur und wird zu den bedeutendsten Schriftstellern des Landes gezählt. Bei Zeitgenossen galt er als gesellschaftlich und politisch schwierig und unbequem. Von Beruf Lehrer, schloss sich Ó Cadhain Ende der 1920er Jahre der Irish Republican Army (IRA) an. In der Zeit von 1940 bis 1944 wurde er interniert. Nach seiner Trennung von der IRA siedelte er nach Dublin, wo er in verschiedenen Positionen als Staatsdiener tätig war und noch kurz vor seinem Tod eine…
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Max Frisch „Fragebogen“
Der Schweizer Max Frisch (*1911, +1991), Journalist, Architekt und freier Schriftsteller, ist bekannt für seine Theaterstücke und Romane, die sich häufig mit der Frage nach der Identität des modernen Menschen beschäftigen. Ein wesentlicher Teil seines Werks war für ihn daneben aber auch das Tagebuch. Nicht als regelmäßig aktualisiertes, chronologisches Notizbuch, sondern als gleichberechtigte und eigenständige Prosaform, die auch fiktionale Elemente beinhalten durfte. In seiner zweiten, als „Tagebuch 1966-1971“ betitelten Text- und Skizzensammlung, erschienen bei Suhrkamp 1972, experimentiert Max Frisch neben anderen Elementen immer wieder auch mit der Textform des Fragebogens. Im Tagebuch finden sich elf sogenannte „Fragebögen“ zu unterschiedlichen ganz persönlichen und auch gesellschaftlichen Themen. Mit jeweils fünfundzwanzig knappen, äußerst geschickt gestellten Fragen, bringt er die Lesenden dazu, sich auf…
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Matt Ruff „88 Namen“
Ein Roman über das Online-Gaming und Identitäten, der leider zu viele Gelegenheiten vergibt. Matt Ruffs Roman mit dem etwas rätselhaften Titel „88 Namen“ zielt von Seiten des Verlags auf eine ganz besondere Leserschaft. Der Klappentext verspricht: >Publishers Weekly< „Teils Detektivgeschichte, teils Science-Fiction-Thriller und mit seinen vielen Anspielungen Pures Geek-Gold“. Da auch noch die Schlagworte „Massively Multiplayer Online Role-Playing Games“ fallen, war es um mich geschehen. An diesem Roman des bekannten Fantasyautors konnte ich nicht vorbeigehen. Mit großer Vorfreude und einem erheblichen Sympathievorschuss begab ich mich an die Lektüre. Der US-amerikanische Autor Matt Ruff, geboren 1965 in Queens, NY, ist Freunden der Fantasy Literatur vor allem durch seinen gelungenen Debüt-Roman „Fool on the Hill“ ein fester Begriff. Auch weitere erfolgreiche Romane…
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C. K. McDonnell „The Stranger Times“
Mit dem Roman „The Stranger Times“, erschienen September 2021 im Eichborn Verlag, ist es dem Autor C. K. McDonnell gelungen, die Genres der Urban Fantasy und der Funny Fantasy in einem gradlinigen, spannungsreichen und witzig-schrägen Fantasy-Thriller zu vereinen. „Zombie-Elvis hat meinen Hamster gefressen“ [Titel: The Stranger Times] Hinter dem Pseudonym C.K. McDonnel verbirgt sich der irische Comedian und TV-Autor Caimh McDonnell, der bereits einige erfolgreiche Comedy-Krimis veröffentlicht hat. In Limerick geboren und in Dublin aufgewachsen, arbeitet er nunmehr als Schriftsteller in Manchester. Nach eigenen Angaben schreibt er dort gerade in Gesellschaft seines Hundes und seiner Phantasie, glücklich im Gartenhaus an seinen nächsten Büchern. Schon beim ersten Kontakt mit dem Buch fällt ins Auge, dass es vom Verlag mit sehr viel…
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Jonathan Franzen „Crossroads“
Jonathan Franzen, der auch als Meister des Familienromans gehandelt wird, hat wieder einen großen seitenstarken Roman über die dysfunktionale amerikanische Durchschnittsfamilie geschrieben. Nach seinen sehr erfolgreichen Romanen „Die Korrekturen“ und „Freiheit“, die sich um die Lebensmodelle und den Liberalismus der weißen Mittelschicht drehten, richtet er jetzt, mit seinem neuen Roman „Crossroads“, den Blick zurück in die Vergangenheit auf die Situation in Amerikas Vorstädten in Zeiten der Aufbruchsstimmung Anfang der 1970er Jahre. Nach eigenem Bekunden handelt es sich bei dem in deutscher Übersetzung immerhin 826 Seiten starken und von der Kritik fast ausnahmslos gefeierten „Crossroads“ um den Auftakt einer Trilogie, mit dem nicht ganz unbescheidenen Subtitel „A key to All Mytologies“. Wir dürfen gespannt sein. „Crossroads“ bedeutet grundsätzlich „Kreuzung“, kann hier…
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Frank Herbert „Der Wüstenplanet“
Ein Benchmark der Science Fiction und Beginn eines grandiosen Zyklus in neuer Übersetzung. Mit dem Roman „Der Wüstenplanet“ (Originaltitel: „Dune“), erschienen im Jahr 1965, schuf Frank Herbert ein Monument der Science Fiction und den Beginn eines großen Zyklus, der gerade heute wieder von besonderer Aktualität ist. Vom Wasser herkommt alles Leben. [aus: Orange-Katholische Bibel – „Dune“] Die Handlung ist in sehr ferner Zukunft angesiedelt. Die Menschen leben in einer feudalistisch organisierten, posttechnologischen Gesellschaft, die von einem Imperator und verschiedenen Adelshäusern dominiert wird. Dem Wüstenplaneten „Arrakis“ kommt eine erhebliche strategische Bedeutung zu, denn er ist der einzige Ort im Universum, auf dem das extrem kostbare „Gewürz“, eine für die interstellare Raumfahrt benötigte Droge, geerntet werden kann. Seine Oberfläche ist nahezu vollständig…