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Stephen King, „Danse Macabre“
„Der Danse Macabre ist ein Walzer mit dem Tod. Das ist eine Tatsache, und wir können es uns nicht leisten, vor dieser Tatsache zurückzuschrecken. Die Horrorgeschichte bietet die Möglichkeit, etwas zu betrachten, was sich hinter Türen abspielt, die wir normalerweise doppelt verschlossen halten, (…). Doch die menschliche Fantasie gibt sich nicht mit verschlossenen Türen zufrieden. Irgendwo gibt es eine Tanzpartnerin, flüstert die Fantasie in die Nacht hinein – eine Tanzpartnerin in einem verrotteten Ballkleid, eine Partnerin mit leeren Augenhöhlen, grünem Schimmel auf den ellbogenlangen Handschuhen, Maden, die im verbliebenen schütteren Haar wuseln. Ein solches Geschöpf in den Armen halten? Wer, fragen…
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Katrine Engberg, „Wintersonne“
Katrine Engberg, Wintersonne – [Werbung, Rezensionsexemplar] „Nichts schmeckt so gut wie das Unglück anderer Leute auf einem Kuchenboden aus Marzipan.“ „Wintersonne“, der aktuelle Kriminalroman der Kopenhagener Autorin Katrine Engberg, ist bereits der fünfte Fall des Kripo-Teams Jeppe Kørner & Anette Werner, und wie der Originaltitel „Isola“ bereits andeutet, wird dieses Mal nur sehr wenig in Kopenhagen ermittelt. Stattdessen führen die Ermittlungen schnell auf die, nicht nur in Dänemark äußerst beliebte, Ostsee-Ferieninsel Bornholm. An dieser Stelle muss der Rezensent zunächst einmal gestehen, dass er bezüglich dieses Schauplatzes des Romans sicherlich voreingenommen ist. Ich hatte das Vergnügen, Bornholm in den 80er und 90er…
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Patrick Modiano, „Unterwegs nach Chevreuse“
Erinnerung, Vergessen, Identität und Schuld, wurden vom Nobelkomitee als die großen Themen im Werk des Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano genannt. In seinen Romanen begibt er sich immer wieder auf die Suche, nach Fragmenten der eigenen Vergangenheit. So dreht sich auch sein neuer Roman „Unterwegs nach Chevreuse“ ganz um das Verrinnen der Zeit und das Verblassen von Erinnerungen. Eine Art Schlüssel zum Verständnis seines Werks. Gleich mit dem ersten Satz wird in zweifacher Hinsicht klargestellt, wohin die Reise gehen soll: „Bosman hatte sich erinnert, dass ein Wort, Chevreuse, in der Unterhaltung immer wiederkehrte.“ „Chevreuse“ wird genannt. Eine kleine ländliche Gemeinde etwas südlich von…
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Jonas T. Bengtsson, „Auf Bewährung“
Jonas T. Bengtsson, Auf Bewährung – [Werbung, Rezensionsexemplar] Jonas T. Bengtssons Roman „Auf Bewährung“ bietet einen verstörenden Blick auf den Randbereich der dänischen Gesellschaft. Danny, ein dreißigjähriger Schläger und Gewalttäter, wird nach langer Haft vorzeitig auf Bewährung entlassen. „Er ist ein Krimineller seit er krabbeln kann“. Schon als Kind hat er „mit Spielzeugbausteinen gedealt und im Sandkasten Schutzgeld verlangt.“ Danny ist kompromisslos, gewaltbereit und hat eine kurze Zündschnur. Er denkt mit den Fäusten. Wie seine beiden Jugendfreunde Christian und Malik stammt er aus dem Kopenhagener Nordwestviertel, einem abgehängten Stadtteil, der von Armut, Ausweglosigkeit und Kriminalität geprägt ist. Sein alter Freund Malik…
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Dennis Lehane, „Kalt wie dein Herz“
Dennis Lehane, Kalt wie dein Herz – [Werbung, Rezensionsexemplar] Bereits im Jahr 1999 erschien in den USA die Originalausgabe des Kriminalromans „Kalt wie dein Herz“ von Dennis Lehane unter dem Titel „Prayers for Rain“. Es ist bereits der fünfte Band der sogenannten „Kenzie & Gennaro“ Reihe. Der irischstämmige Bostoner Autor studierte zunächst Lehramt und Journalismus bevor er 1990, im Alter von 25 Jahren, das Schreiben begann. Gleich sein erster Roman „A Drink Before War“, der Start der Kenzie und Gennaro Reihe, wurde als „Best first Novel“ ausgezeichnet. Viele weitere Ehrungen und äußerst prominente Verfilmungen sollten bis heute folgen. „Prayers for Rain“ war…
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Jane Harper, „Der Sturm“
Das auffallende Buchcover hatte mich auf Jane Harpers Thriller „Der Sturm“ aufmerksam gemacht. Ein schroffes Kliff, von Gischt sprühender Brandung umtost. Eine beeindruckende, dynamische Naturfotografie. Wie sich später herausstellt auch noch mit unmittelbarem Bezug zur Handlung des Romans. Sehr gelungen. Verheißungsvoll. Zwölf Jahre nachdem der verhängnisvolle Sturm sein Leben aus der Bahn geworfen hat, kehrt Kieran Elliott in seinen, an der Südküste Tasmaniens gelegenen, Geburtsort Evelyn Bay zurück. Zusammen mit seiner, ebenfalls aus Evelyn Bay stammenden Freundin Mia hat er fernab ein neues Leben angefangen. Zurück in der Heimat, bei seinen Eltern und alten Freunden, brechen jedoch alte Verwundungen wieder auf.…
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Mariana Leky, „Kummer aller Art“
In Mariana Lekys kleinem, lediglich 170 Seiten schmalen Büchlein „Kummer aller Art“, habe ich rekordverdächtig viele Markierungen hinterlassen. Passagen, die ich gelungen, geistreich, gut beobachtet, amüsant, rührend oder einfach nur erwähnenswert finde. Ganz offensichtlich hat mich „Kummer aller Art“ besonders berührt. Das ist ein sehr gutes Zeichen. „Kummer aller Art“ ist eine Sammlung literarischer Kolumnen, die erstmals im Magazin „Psychologie Heute“ erschienen sind. Allesamt knappe, zumeist nur drei bis vier Seiten kurze Texte. Kleine bescheidene, aber überaus präzise Beobachtungen aus dem Alltag. Einsamkeit, Flugangst, Schlaflosigkeit, Abschied, aber auch Schlüsseldienste, Überraschungspartys und Zugverspätungen, stehen im Zentrum der wunderbar ausgewählten Episoden. Mariana Lekis…
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Andre Boße, „Die drei ???. 100 Seiten“
Die drei Fragezeichen sind ein Phänomen. Ihre Anfänge reichen zurück bis in die frühen 1960er Jahre, wo sie als „The Three Investigators“ in den ersten elf Romanen, noch aus der Feder ihres Schöpfers, dem US-amerikanischen Journalisten, Autor und Vielschreiber Robert Arthur, in meist mysteriösen, unheimlichen Fällen ermittelten. Kurze Zeit später kommen die drei Fragezeichen dann nach Deutschland. „Die drei ??? und das Gespensterschloss“ ist der Titel des ersten Bands der überaus erfolgreichen deutschen Jugendbuchreihe, die bis heute läuft und aktuell bei Band Nummer 224 angekommen ist. „Siebenmal Proust zu lesen, ergibt also in etwa die gleiche Menge wie 220 Fälle von…
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Benjamin Myers, „Offene See“
„Jeder junge Mann, der sein Leben geplant hat, ist zu bemitleiden, da Pläne kaum Platz für Zufälle und unerwartete Entdeckungen lassen. Und überdies ist jeder Mensch an sich – falls er überhaupt menschlich ist – eine sich ständig verändernde Entität, ebenso wie die Welt um ihn herum. Was für ein trostloses Leben führen doch diejenigen, die sich familiären Erwartungen oder Traditionen beugen.“ Benjamin Myers „Offene See“ ist ein Entwicklungsroman, genauer gesagt eine „Coming of Age Story“. Die bewegende Geschichte eines Sommers. Sie beginnt im Frühjahr 1946. Der junge, gerade einmal sechzehn Jahre alte, Robert Appleyard kehrt seiner Geburtsstadt im Norden Englands…
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Kris Brynn, „Born“
Kris Brynn ist eines der Pseudonyme der 1968 in Stuttgart geborenen Autorin Regine Bott, die bereits auf zahlreiche Veröffentlichungen und Preisverleihungen, wie z.B. den Phantastik-Literaturpreis SERAPH 2019, zurückblicken kann. Die Science-Fiction bildet sicherlich einen Schwerpunkt ihrer literarischen Tätigkeit. Auch bei „Born“, veröffentlicht 2021, handelt es sich um einen Science-Fiction-Roman. Untertitel: „Dystopie-Thriller“. Dieser ist interessanterweise im Deutschland einer nahen Zukunft angesiedelt. Große Sandkriege haben das Land nahezu unbewohnbar gemacht. Die fast ausschließlich in gigantischen unüberschaubaren „Maga-Cities“ lebende Bevölkerung wird durch riesige, hoch automatisierte Plantagen und Farmen versorgt, die sich in der Hand einer religiösen Bruderschaft befinden. Der Großteil der Menschen lebt unter…
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Thomas Keobner (Hrsg.), „Filmgenres: Science-Fiction“
Seit nunmehr nahezu 20 Jahren existiert bei Reclam die Reihe „Filmgenres“. Der erste Band, ein recht umfangreiches Kompendium zum Thema „Science-Fiction“, ist derzeit mein ständiger Begleiter. Wie gewohnt im typischen kompakten Reclam-Format erschienen, passt es trotzt seiner beachtlichen 574 Seiten noch gut in den Aktenkoffer oder die Jackentasche. Die Begriffe „Kompendium“ bzw. „Handbuch“ beschreiben recht gut, um welche Art von Textsammlung es sich hier handelt. Zusammengestellt durch den Herausgeber Thomas Koebner finden sich vertiefende Analysen aus der Feder unterschiedlicher Autorinnen und Autoren zu einer bemerkenswert vollständigen Auswahl an Science-Fiction-Filmen. Die Liste der mehr als 120 vorgestellten Filme reicht von „Metropolis“, „Frankenstein“,…
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Hommage an das gedruckte Buch und warum Horatio jetzt plötzlich auch einen E-Book-Reader mit sich herumschleppt.
Einigen wird es bereits aufgefallen sein, seit kurzem verfüge ich über einen E-Book-Reader, der auch ausgiebig von mir genutzt wird. Wie konnte es nur so weit kommen?! Ich habe E-Books und damit natürlich auch E-Book-Reader von Beginn an abgelehnt. Tatsächlich hänge ich sehr am klassischen gedruckten Buch, weil es so viel mehr ist als eine bloße flüchtige Datei in irgendeiner Cloud oder einem portablen Abspielgerät. In unserer virtuellen Zeit widersetzt sich das gebundene Buch tapfer den modernen Zwängen der Digitalisierung, allgegenwärtigen Verfügbarkeit, ständigen Beschleunigung und Optimierung. Es ist zu einem Statement geworden. Beständigkeit. Ein gedrucktes Buch ist etwas Wundervolles. Ob gebunden,…
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Amy McCulloch, „Der Aufstieg“
„In der Todeszone wartet der Mörder“. Mehr Thriller als in diesen Klappentext passt wohl kaum in einen sechs Worte langen Satz. Angemessen? Zunächst geht der Roman der in Ottawa aufgewachsenen und jetzt in London lebenden Autorin Amy McCulloch erst einmal gemächlich los. Die junge, noch unerfahrene Journalistin Ceciliy Wong steht vor der großen Chance ihrer beruflichen Laufbahn. Ihr eröffnet sich die einmalige Gelegenheit, den berühmten und charismatischen Extrembergsteiger Charles McVeigh exklusiv zu interviewen. Dieser steht unmittelbar vor dem Abschluss seiner Rekordtour, der Besteigung sämtlicher 14 Achttausender innerhalb eines Jahres. Alles natürlich im alpinen Stil, was im Wesentlichen ohne Hilfsmittel und Sauerstoff…
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Stephen King, „Schwarz“
Es gibt Romane, bei denen man sich schon nach wenigen Kapiteln entscheiden muss, ob man sie liebt oder ablehnt. Stephen Kings Roman „Schwarz – Der dunkle Turm 1“ gehört ganz eindeutig in diese Kategorie.Wenn man einen Stephen King kauft, geschieht dies in der Regel aus einer ganz konkreten Erwartungshaltung heraus. Der Autor gilt als „Meister des Horrors“ und wer zumindest einige seiner früheren Werke kennt, hat auch recht konkrete Vorstellungen davon, wie ein richtiger „King“ auszusehen hat. Gerade bei Autoren*innen, deren Name auf dem Cover größer abgedruckt ist als der Titel, werden diese Erwartungen auch gerne erfüllt. Mit seinem Roman „Schwarz“…
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Joachim B. Schmidt, „Kalmann“
Ein einfacher Mensch in einer kargen, verschneiten isländischen Landschaft. Kalmann Odinnsson ist der bewegende Held in Joachim B. Schmidts Roman und hat man ihn einmal kennen gelernt, lässt er einen so schnell nicht mehr los. Denn Kalman ist ein ganz und gar ungewöhnlicher Held. Er lebt an der rauen Nordküste Islands, in dem abgelegenen, trostlosen 173 Seelen Dorf Raufarhöfn. 33 Jahre alt, bewohnt er allein das alte Haus seines Großvaters. In der Schule ist er gescheitert, besitzt keinen Führerschein und steht unter der Betreuung seiner auswärts lebenden Mutter. In Raufarhöfn wird er als eine Art gutmütiger Dorftrottel wahrgenommen, der irgendwie noch…
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Jane D. Kenting, „Verkennung“
„Dass ich die Mail überhaupt öffnete, hatte einen einfachen Grund: meine Schwäche für Geheimnisvolles. Meine Leidenschaft für alles was rätselhaft war. Das Unheimliche bezauberte mich.“ Ein Angsttherapeut mit einem mysteriösen Patienten. Das neue Heim in Nachbarschaft einer düsteren Villa. Unheimliche Geschehnisse im Dunkel. Nächte der Schlaflosigkeit und zwei rätselhafte Frauen. Jane D. Kenting hat in ihrem Erstlingswerk sämtliche Zutaten für eine geheimnisvolle, schaurige Geschichte bereitgestellt. Die Leser/-innen sollten sich nicht von dem etwas unglücklich gewählten Buchtitel in die Irre führen lassen, werden diese knappen, schlagwortartigen Titel doch vielfach bei bleihaltigen, blutigen, skandinavischen Krimi- und Thriller Reihen verwendet. „Verkennung“ ist kein Thriller…
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Henrike Jütting, „Spiel im Nebel“
Henrike Jüttings vor kurzem erschienener Krimi „Spiel im Nebel“ trägt den Untertitel „Kriminalroman aus Münster“. Unweigerlich fallen einem da natürlich die Ermittler „Wilsberg“, sowie „Thiel und Boerne“ ein, die die Münsteraner Krimi-Landschaft dominieren. Hernike Jütting schickt dagegen, mittlerweile bereits zum vierten Mal, mit den Kommissarinnen Katharina Klein und Eva Mertens, ein rein weibliches Team ins Rennen. Allein schon für diese Entscheidung ist die Autorin zu beglückwünschen, ermöglicht sie doch wirklich erfrischende und neue Perspektiven bei der Erzählung eines Münster-Krimis. Auch wenn wir im Verlaufe der Handlung einiges über den Werdegang und das Privatleben der Kommissarinnen erfahren, erliegt Henrike Jütting nicht der…
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Judith Merchant, „Schweig!“
Der Roman „Schweig!“ von Judith Merchant ist nicht nur ein spannender Psychothriller, sondern geradezu ein Lehrstück, welch furchtbare Verwüstungen missglückende Kommunikation in zwischenmenschlichen Beziehungen anrichten kann. „Niemand kann Weihnachten entkommen. Wer behauptet, Weihnachten sei ein Tag wie jeder andere, lügt. Man muss sich Weihnachten stellen und auch der Angst, die an Weihnachten wiederkommt. Der Angst, dass es nicht schön wird. Der Angst vor einem Geschenk, das offenbart, dass der andere einen nicht kennt. Oder zu gut kennt. Der Angst, dass es Streit gibt. Der Angst, dass man sich einsam fühlt. Der Angst, dass jemand durchdreht. Und der schlimmsten Angst: davor,…
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Mario Schneider, Die Paradiese von gestern
Mario Schneider, „Die Paradiese von gestern“ – [Werbung, weil kostenloses Rezensionsexemplar] „Sie fuhren in eine neue Welt, um eine alte darin zu finden.“ Ella und René, ein junges Paar aus Ostdeutschland, verbringen im Jahr nach der Wende ihren ersten Sommer in Südfrankreich, dem Land ihrer Träume. Sie sind nicht auf der Suche nach dem Glanz des goldenen Westens, sondern nach dem Frankreich des Balzac, Flaubert und Maupassant. Als sie eines Abends bei einem Besuch der „Düne von Pilat“ in ein Unwetter geraten, führt sie ihr überhasteter Aufbruch, nahe Bordeaux weit abseits der Hauptstraßen, zu dem alten und maroden Schlosshotel, „Chateau de…
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Phillip P. Peterson, „Universum“
Es ist nicht ganz einfach, Phillip P. Petersons Roman „Universum“ gerecht zu werden, lässt sich die komplette Handlung doch recht gut in nur drei Sätzen zusammenfassen: In naher Zukunft verlässt eine kleine Gruppe Siedler die Erde, um in einem weit entfernten Sonnensystem namens Omicron-3 eine Kolonie zu gründen. Während des Überlichtflugs haben sie mit dramatischen technischen Problemen zu kämpfen. Statt ans Ziel, gelangen Raumschiff und Insassen an die Grenzen der Physik. Bis auf einige kleinere Wendungen, ist das bereits die ganze Geschichte des Romans, der im Grunde darauf angelegt ist, lediglich ein einzelnes Szenario durchzuspielen: Die Überwindung kosmischer Distanzen mittels überlichtschneller…